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Leroy Phoenix

über Feuer und Seele

Ein Monster im Backstagebereich

Wo ein Techniker sein Innerstes nach außen kehrt.

Leroy schlug mit einem Knall seinen neusten Roman
zu, aus dem er gerade vorgelesen hatte. Das Publikum
sprang von den Stühlen und Applaus toste
durch den Kongresssaal. Elfen, Feen, Vampire und
die Crew des Raumschiffs Enterprise jubelten ihm
zu. Der Autor liebte es, auf der Comic Con London
zu sein. Hier war seine Basis, hier sammelten sich
seine Nerds. Die treusten Fans kamen an die Bühne
und winkten mit ihren druckfrischen Exemplaren
von Lara Storm – Licht und Schatten. Leroy setzte
sich an den Bühnenrand und signierte fleißig sein
neustes Werk. Was kaum jemand wusste: die Abenteuer,
die der junge Autor zu Papier brachte, waren
näher an der Wahrheit, als seine Fans glaubten.
Leroy Phoenix war nämlich nicht nur Fantasy-Autor,
sondern auch ein Luftelementarist – ein Magier der
Luft.
Eine junge Frau, Ende zwanzig, beobachtete die Szene.
Ihre feuerroten Haare, die sie modisch kurz trug,
waren für Leroy ihr unverkennbares Markenzeichen.
Sie hatte ebenfalls sein Buch in den Händen.
Aufgeregt winkte er ihr über die Köpfe der Jugendlichen
hinweg zu. Während sie sich näherte,
bemerkte der Autor, dass ihre Lippen zwei schmale

Striche bildeten und ihre Augenbrauen zusammengezogen
waren.
»Phoenix, wollen Sie mich verarschen?«, schrie sie.
Leroy Phoenix erstarrte. Er war Anfang dreißig,
seine dunkelbraunen Haare waren zu einem Zopf
gebunden. Grübchen um die Augen verliehen ihm
das sympathische Etwas.
Schnell erholte er sich von dem Schrecken.
»Freunde, ich stelle euch vor: Sergeant Creed von
der Metropolitan City Police.«
Es bildete sich eine Menschentraube um die
Polizistin.
»Ist das nicht ...?«, fragte eine dreizehnjährige
Vampirin.
»Genau«, unterbrach Leroy sie, »das ist meine
Lara Storm.« Andächtige »Ahs« und »Ohs«
erschollen und prompt wurde die Traube um die
schlanke Rothaarige dichter und auch ihr hielt man
Bücher mit Stiften unter die Nase.
»Leroy, wollen Sie mich verarschen?«, wiederholte
Svenja, »mit diesem Schund ist mein Ruf bei
den Kollegen ruiniert. Warum haben Sie mich für
Ihr Machwerk missbraucht?« Ihr Gesicht nahm allmählich
die Farbe ihrer Haare an.« Svenja, du bist
meine Inspiration. Ohne dich würde es Lara Storm
nicht geben«, verteidigte er sich. »Du bist Lara Storm.
Ich dachte, dass du dich freust.«
Sie pfefferte ihm das Buch gegen die Brust.
»Freuen? Es hat nicht lange gedauert, da haben
es meine Kollegen geschnallt. Gerade, weil ich es
nicht geheim gehalten habe, dass wir uns kennen.«

Ein mit Akne gesegneter Teenager, der in einem
Dämonenkostüm direkt neben Leroy stand, kommentierte
grinsend »Möhrchen!«, der Spitzname der
Rothaarigen in dem Buch.
»Nicht hilfreich«, zischte der Autor, während die
Blicke der Polizistin ihn durchbohrten. Mit hochrotem
Gesicht versuchte der Junge, im Boden zu
versinken, was einem echten Dämon besser gelungen
wäre.
Leroy bemerkte, dass die Kids verstohlen ihre Handys
zückten und die Kameralinsen auffallend unauffällig
in ihre Richtung hielten. Er wusste, es war besser, dass
sie das Gespräch sofort in einen privateren Bereich
verlegten. Seine Verlegerin würde ihn für solche Publicity
küssen oder töten, beides wollte er ungern riskieren.
»Svenja, wollen wir das nicht backstage
besprechen?«, fragte der Autor eindringlich flüsternd.
Ein enttäuschtes Stöhnen wogte durch die Menge.
Leroy erkannte, wie es in Svenjas Verstand arbeitete
und wie auch sie die Gefahr, zum neuesten Social-
Media-Hype zu werden, erkannte. Grollend willigte
sie in den Vorschlag ein.
Leroy zog die junge Frau hinter die Bühne, während
zwei Sicherheitskräfte die Fans aufhielten. Die
nächste Autorin wartete bereits und funkelte Leroy
über ihren Brillenrand an. Er hatte gnadenlos überzogen
– wieder mal.
Während sie an ihr vorbeigingen, summte Leroy
Bob Marleys Song No Woman No Cry.
Svenja fragte irritiert: »Hast du was gesagt?«

Leroy zuckte erschrocken zusammen. »Nein, nein,
alles in Ordnung«, antwortete er wenig glaubhaft.
Im Backstagebereich führte er Svenja zu einer
rollenden Transportbox für Bühnentechnik. Ein
dicker schallschluckender Vorhang trennte den hinteren
Teil der Bühne vom vorderen ab. Bis auf einen
Tontechniker arbeiteten hier keine weiteren Menschen.
Eine Feuertüre führte tiefer in die Katakomben
der Messehalle.
»Nun sag! Was kann ich tun, damit du nicht
mehr wütend auf mich bist?«
Svenja verschränkte die Arme vor der Brust. »Weißt
du, wenn du die Frage nicht selbst beantworten
kannst, bist du tatsächlich das Arschloch, für das ich
dich halte. Ich hätte dir echt mehr zugetraut. Ich
kann dir lediglich dafür danken, dass du wenigstens
genügend Takt bewiesen hast, meine Schwester aus
dem Spiel zu lassen. Das rechne ich dir hoch an.
Aber warum musste Lara so aussehen wie ich und
wieso musste sie eine lesbische Liebesszene mit
einer Vampirin bekommen? Wie hast du sie genannt?
Buffy? Weiß Liz davon? Denn deine Buffy hat echt
große Ähnlichkeiten mit ihr. Ich denke, wenn sie es
liest, wird sie dich töten. Still und leise. Du weißt,
wozu sie fähig ist.«
Leroy schluckte. Eigentlich war er es, der eine heiße
Nacht mit der Vampirin verbracht hatte. Bei dem
neuen Roman hatte er es mit der Wahrheit nicht so
genau genommen und nicht darüber nachgedacht,
was die echte Vampirin, Liz, davon halten könnte.
Leroy setzte gerade zu einer Rechtfertigung an, als
er hinter Svenja ein merkwürdiges Knurren und Fauchen hörte.

© 2024 Karsten Zingsheim

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